Kolumne

Unterwerfung? – Und ob, nur anders!

Ja, die Schweiz wird unterworfen, aber nicht mittels Vertrag von der EU, sondern mittels Diktat von den USA. Und das hat Tradition.

Als Donald Trump in Washington die Macht übernahm, setzte die Führungsriege der SVP zum Fanfarenstoss an. Endlich jemand, mit dem man vernünftig reden kann. Endlich einer, der nicht immer noch mehr regulieren will. Und vor allem: Endlich ein Mann, zu dem man direkten und hilfreichen Zugang hat. Wir haben den Jubel der Martullos, Dettlings, Aeschis und Konsorten noch im Ohr, auch wenn die Genannten inzwischen lieber nichts mehr sagen. Wenigstens was Kommentare zum Zoll-Diktat des gelobten Leaders betrifft. Was das Abkommen mit der EU betrifft, ist hingegen kein Learning erkennbar. Der Parteipräsident verbrannte den Text medienwirksam am 1. August („Unterwerfungsvertrag“), seine Führungsriege sekundiert wo immer sie zu Wort kommt.

Was gerade abläuft ist tatsächlich Unterwerfung. Donald Trump pfeift auf Verhandlungen, selbst wenn seine Regierung gerade am Verhandeln ist. Er bevorzugt das Diktat, wenigstens dort, wo er am längeren Hebel sitzt. Wo nicht, verdunsten seine diktatorischen Allüren bald in der Hitze des Handelsgefechts (siehe China) oder werden gekontert (siehe EU). Gegenüber der Schweiz sitzt er am längeren Hebel, und das nutzt er gnadenlos aus. Wo bleibt der Aufschrei der SVP? Jetzt, wo ihr Lieblingswort „Unterwerfung“ mehr als berechtigt ist, schweigt sie und hämmert lieber weiter auf die EU ein. Das ist natürlich einfacher als zum Beispiel zuzugestehen, dass die Schweiz als EU-Mitgliedstaat nicht einen Zoll von 39 Prozent, sondern nur von 15 Prozent zahlen müsste.

Immer mal wieder

Diktatorisches Verhalten der USA gegenüber der Schweiz hat durchaus Tradition. Wir erinnern uns an ihr ultimatives Vorgehen im Zusammenhang mit den nachrichtenlosen Vermögen jüdischer Holocaust-Opfer in den 1990er-Jahren. Wir erinnern uns an die Abschaffung des Bankgeheimnisses gegenüber ausländischen Steuerbehörden, das die von den USA unter Druck gesetzte OECD 2008 durchsetzte, obwohl unser damaliger Finanzminister vollmundig behauptet hatte, „an uns werden sie sich die Zähne ausbeissen“. Oder 1951, als die USA die Schweiz zwangen, ihren Handel mit der Sowjetunion massiv zu reduzieren. Schweizer Bankangestellte können ein Lied davon singen, welch bürokratischen Zusatzaufwand sie leisten müssen, um den Spezialforderungen der USA zu genügen. Und wer Geld nach Kuba überweisen möchte, zum Beispiel als humanitäre Geste an ein Spital, kann das nicht mehr mit Hilfe einer Schweizer Bank tun, weil die sonst von den USA sanktioniert würde.

Man muss schon sehr voreingenommen sein um nicht zu sehen, dass sich das Verhalten der EU gegenüber der Schweiz fundamental unterscheidet vom amerikanischen. Es gibt in der über 50jährigen Beziehungsgeschichte kein einziges Diktat. Es gibt nur Verträge. Selbst ein Affront wie der Verhandlungsabbruch durch den Bundesrat vor einigen Jahren wurde nicht mit harten einseitigen Massnahmen gekontert. Die EU setzte ihre Leute wieder an den Verhandlungstisch mit unseren und macht im neuen Vertragspaket mindestens so viele Zugeständnisse wie sie der Schweiz abverlangt. Kurzum: Die EU praktiziert das Gegenteil von Unterwerfung. Sie agiert partnerschaftlich, nicht diktatorisch. Sie strebt Kompromisse an, nicht Kapitulation.

#Amerika #Schweizer Aussenpolitik

Espresso Diplomatique

Kurz und kräftig. Die wöchentliche Dosis Aussenpolitik von foraus, der SGA und Caritas. Heute steht Aserbaidschans Beziehung zu Russland im Fokus. Einst postsowjetische Verbündete, distanziert sich Aserbaidschan seit 2020 zunehmend vom Einfluss des Kremls. Nr. 483 | 12.08.2025

Eine Aussenpolitik für die 
Schweiz im 21. Jahrhundert

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