Libanon: Hinter geschlossenen Türen hat der Rat über die Befolgung seiner Resolution 1559 debattiert, die 2004 strict respect of the sovereignty, territorial integrity, unity, and political independence of Lebanon verlangte.
Gaza: Auf Antrag Algeriens und der europäischen Vetomächte Frankreich und Grossbritannien hat der Rat sich zum x-ten Mal mit der verschlechterten Versorgungslage der eingekesselten Zivilbevölkerung befasst. Die Sitzung fand am Tag vor dem Tod des Hamas-Führers Yahya Sinwa statt, womit die viel zitierten Friedenshoffnungen aus diesem Ereignis aussen vor blieben. Die Vertreterin des UNO-Nothilfebüros berichtete, in Nord-Gaza, wo Israel seine Militäroperationen intensiviere, seien Wasser und Nahrung knapp und alle Spitäler bis auf drei geschlossen. Nachschub gelange nur tröpfchenweise hinein. Weniger als die Hälfte der mit Israel “koordinierten” 286 humanitären Operationen seien ohne Zwischenfälle oder Verzögerungen abgelaufen. Israel erklärte, das Thema der Sitzung sei falsch. Nicht die humanitäre Notlage im Kriegsgebiet, sondern die Freilassung der Geiseln und die Ergebung der Hamas müsse in den Fokus genommen werden. Die Ratsmitglieder waren sich in der Verurteilung der Leiden der Gaza-Einwohner verbal einig. Die USA erklärte, eine “Politik des Aushungerns” sei “unakzeptabel”, und Israel müsse mehr für die Versorgung der Zivilbevölkerung tun. Russland und China erinnerten an die amerikanischen Waffenlieferungen an Israel (China: 17 Milliarden Dollar seit Oktober 2023) und verlangten deren Einstellung. Die Schweiz fragte in die Runde, ob Israels Evakuierungsbefehle “an Hunderttausende” und die Behinderungen der humanitären Hilfe “ein Versuch sind, endgültige Veränderungen in den besetzten Gebieten herbeizuführen”. Sie erinnerte daran, “dass solche Massnahmen illegal wären”.
Jemen: Der UNO-Sondergesandte vermochte dem Rat nichts Neues zu berichten, und die Debatte trat an Ort. Der längst abgelaufene Waffenstillstand zwischen Regierung und Huthi-Rebellen wird schlecht und recht weiter befolgt, der Beschuss der Handelsschifffahrt im Roten Meer durch die Huthis zieht Jemen in den Regionalkonflikt um Israel und die Palästinenser mit hinein, und die Vergeltungsschläge von Amerikanern und Europäern gefährden die für die Versorgung zentralen Hafenanlagen. Die Wirtschaft ist zerstört, die Versorgung der Bevölkerung wird prekärer, hinzu kommt die Cholera, die mittlerweile über 200 000 Personen befallen hat. Und der zivile Spielraum wird enger, vor allem für die Frauen in den von den islamistischen Huthis beherrschten Gebiete. Wie die anderen Ratsmitglieder beklagte die Schweiz diese Entwicklung: c’est la population civile qui en fait les frais.
Westsahara: Hinter geschlossenen Türen hat der Rat den Bericht des Chefs der UNO-Mission MINURSO (Mission des Nations Unies pour l’organisation d’un référendum au Sahara occidental) entgegengenommen. Sie ist seit 1991 beauftragt, eine Volksabstimmung über die Zugehörigkeit der ehemals spanischen Kolonie zustande zu bringen, um welche sich Marokko und die von Algerien unterstützte “Befreiungsfront” Polisario streiten.
Kolumbien: Der vor acht Jahren begonnene, langfristige Friedensprozess zwischen der Staatsmacht und den Guerillaorganisationen bewegt sich weiter voran, aber nicht in allen Bereichen gleich befriedigend. Der Chef der UNO-“Verifizierungsmission” malte ein Bild in Pastelltönen: plan de choque der Regierung zur beschleunigten Durchführung der vereinbarten Pläne, raschere Landverteilung, Fortschritte bei der transitional justice, Entwaffnung von Kriminellen. Weniger ermutigend: Bedrohung, Mord und Gewalt gegen Unterzeichner der Abkommen, noch keine Verlängerung eines Waffenstillstands mit der ausserhalb der Friedensvereinbarungen stehenden Guerilla ELN, und nur minimale Umsetzung der Massnahmen zugunsten der Schwarzen (ethnic chapter) und der gleichberechtigten Teilnahme der Frauen. Nur 13 Prozent des Vereinbarten sei umgesetzt, erklärte eine kolumbische Frauenvertreterin dem Rat, und die Hälfte nur minimal. Die Schweiz, die sich sonst prinzipiell in der Landes- und UNO-Sprache Französisch äussert, sprach in ihrem Redebeitrag zunächst in der UNO-Sprache Spanisch: Las mujeres no sólo deben ser consultadas; deben participar activamente en los procesos de toma de decisions. Im Anschluss an die Sitzung traten zehn Ratsmitglieder, darunter die Schweiz, vor das UNO-Mikrophon, um die “Integration der Gender-Perspektive in allen Pfeilern” des kolumbischen Friedenspolitik zu unterstützen.
Haiti: Der Rat hat das Sanktionsregime gegen Individuen und Organisationen in Haiti um ein Jahr verlängert. Ziel ist, den Waffennachschub an die Banden, die das Land im Griff haben, zu verhindern. Gemäss Berichten des ebenfalls weiter mandatierten Expertengremiums wird dieses Ziel bei weitem verfehlt.
Kurz und kräftig. Die wöchentliche Dosis Aussenpolitik von foraus, der SGA und Caritas. Heute steht Kolumbien im Fokus. Guerillagewalt, Millionen Geflüchtete aus Venezuela und der Kollaps der Darién-Route machen das Land zum Brennpunkt der lateinamerikanischen Migrationskrise. Nr. 486 | 23.09.2025
Neue Beiträge von Joëlle Kuntz (La neutralité, le monument aux Suisses jamais morts) und Markus Mugglin (Schweiz – Europäische Union: Eine Chronologie der Verhandlungen) sowie von Martin Dahinden und Peter Hug (Sicherheitspolitik der Schweiz neu denken - aber wie?) Livre (F), Book (E), Buch (D)
Zu den BeiträgenDas Schweizer Mandat im UNO-Sicherheitsrat (2023 und 2024) fiel in turbulente Zeiten, der Rat hatte Schwierigkeiten, in den grossen Fragen Entscheide zu fällen. Jeden Samstag haben wir das Ratsgeschehen und die Haltung der Schweiz zusammengefasst.
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