Kolumne

Die Schweiz sucht neue Handelswege – fit mit FIT?

Gemeinsam mit 13 weiteren Staaten lancierte Bundesrat Guy Parmelin im September 2025 die «Future of Investment and Trade Partnership» (FIT). Ziel dieser neuen Initiative ist es, kleinen und mittleren Volkswirtschaften eine Plattform zu geben, um gemeinsam für einen offenen und regelbasierten Welthandel einzutreten. Auf dem Papier klingt das verheissungsvoll: Gleichgesinnte Staaten, die sich gegen Protektionismus und die Aushöhlung multilateraler Regeln stemmen.

Für die Schweiz, die von global vernetzten Wertschöpfungsketten lebt, ist dies eine folgerichtige Antwort auf eine Weltwirtschaft im Umbruch und auf den US-Zollhammer in Höhe von 39 Prozent, welcher seit August 2025 Schweizer Exporte in die USA trifft. Der Zoll-Schock schmerzt umso mehr, weil die Handelsbeziehungen zwischen den beiden «Sister Republics» auf eine lange Tradition und Geschichte zurückblicken können. Bevor der moderne Schweizer Bundesstaat von 1848 alte Handelsabkommen mit den deutschen Staaten, Frankreich oder Sardinien erneuerte, schloss er im Jahr 1850 seinen allerersten umfassenden Handelsvertrag mit den Vereinigten Staaten ab, ganze fünf Jahre bevor er einen vergleichbaren Vertrag mit Grossbritannien unterzeichnete, der damals führenden Wirtschaftsmacht.

Zurück zur FIT-Partnerschaft: Kann dieses lose Netzwerk ohne rechtlich verbindliche Verpflichtungen aber tatsächlich die Antwort auf eine zunehmend fragmentierte Weltwirtschaft sein?

Ein mutiges Zeichen oder nur Symbolpolitik?

Beginnen wir zuerst mit dem Positiven: Die FIT-Initiative ist ein mutiges Zeichen. Während sich die USA unter Präsident Trump einer Art «Mafia-Taktik» bedienen, bei welcher Druck, Drohung und selektive Strafzölle an die Stelle von Regeln treten, bleibt die Schweiz unbeirrt auf Kurs. Sie setzt auf Recht statt Willkür, auf multilaterale Spielregeln statt auf Machtpolitik. Das verdient Anerkennung. Denn in Zeiten, in denen die Welthandelsorganisation (WTO) blockiert ist und in denen die grössten Player lieber bilaterale Faustkämpfe austragen als kollektive Lösungen zu suchen, ist dies alles andere als selbstverständlich. Insofern sendet die FIT-Partnerschaft ein wichtiges Signal: Wir geben die Idee des offenen Welthandels nicht kampflos auf.

Dann folgt der Realitätscheck. Wer nimmt eigentlich an der FIT-Partnerschaft teil? Da gibt es Länder wie Singapur, Norwegen, Neuseeland oder Chile – hochentwickelte Volkswirtschaften, die viel Erfahrung mit innovativen Handelsabkommen haben und für die Schweiz durchaus attraktive Partner sind. Auch sind Staaten wie Panama oder Ruanda dabei, dynamische Märkte, die sich öffnen wollen und ihren Platz in der Weltwirtschaft suchen. Aber nüchtern betrachtet sind es kleine Märkte, die für die Schweizer Exportindustrie kaum Gewicht haben. Selbst wenn man alle diese FIT-Mitglieder zusammennimmt, erreicht ihr Handelsvolumen nicht annähernd die Bedeutung der USA.

Hier liegt die Krux: Diversifizierung ist richtig und wichtig – aber sie ersetzt nicht die grossen Märkte. Schweizer Maschinen, Pharmazeutika, Luxusgüter und Finanzdienstleistungen brauchen Volumen. Sie brauchen Länder mit hoher Kaufkraft und verlässlichen Rechtsordnungen.

Die FIT-Partnerschaft ist ein Netzwerk ohne Verpflichtungen, ohne Organisation, ohne Sanktionsmechanismen. Das ist pragmatisch. Man kann flexibel Schwerpunkte setzen, Pilotprojekte starten, voneinander lernen. Aber die Partnerschaft ist auch unverbindlich. Was passiert, wenn eines der Mitgliedsländer plötzlich protektionistische Reflexe zeigt? Oder wenn geopolitische Loyalitäten – denken wir an die Rivalität zwischen China und den USA – die Interessen überlagern?

Böse Zungen könnten daher behaupten, dass es sich bei dieser Partnerschaft bloss um Symbolpolitik handelt. Trotz aller Skepsis sollte man den Wert solcher Initiativen aber nicht kleinreden. Sie zeigen, dass die Schweiz nicht resigniert, sondern aktiv nach neuen Wegen sucht. Dass sie ihre Prinzipien – Offenheit, das Einhalten von Regeln, Verlässlichkeit – nicht über Bord wirft, auch wenn der Druck gross ist. Das ist die Stärke der Schweiz. Dabei schafft sie Netzwerke, die eines Tages wichtiger sein könnten, als wir es uns heute vorstellen. Denn auch kleine Staaten können gemeinsam Gewicht entfalten, wenn sie es schaffen, ihre Interessen zu bündeln.

Aktivposten Genf

In diesem Sinne setzt die Schweiz auch weiterhin für eine Stärkung des internationalen Genfs ein, der Hauptstadt des Multilateralismus und dem globalen Kompetenzzentrum für Handelsfragen. Die Schweiz hat es beispielwese geschafft, die 16. Ministertagung der Handels- und Entwicklungskonferenz der Vereinten Nationen (UNCTAD) vom 20. bis 23. Oktober 2025 nach Genf zu holen und ihren Vorsitz zu übernehmen. Das ist erfreulich, denn die UNCTAD-Mitgliedsländer treffen sich nur alle vier Jahre auf Ministerebene, um über aktuelle Fragen zu Handel und Entwicklung zu diskutieren. Zuvor kam die Konferenz erst zweimal in die Schweiz – für die erste im Jahr 1964 und die siebte 1987 – und beide Male nach Genf.

So bleibt zu hoffen, dass möglichst viele Länder im Multilateralismus und in klaren Regeln einen Nutzen und eine Zukunft sehen. Immerhin gibt es Länder, die sich weiterhin zum Freihandel bekennen: Die Schweiz – respektive die EFTA – unterzeichnete allein in diesem Jahr Abkommen mit Malaysia, Thailand und Mercosur (Argentinien, Brasilien, Paraguay und Uruguay). Und am 1. Oktober 2025 trat das wichtige Freihandelsabkommen mit Indien in Kraft. Dies darf als Erfolg für die Schweizer Exportwirtschaft angesehen werden – auch wenn der «de facto» Verlust des US-Marktes weder mit diesen Abkommen noch mit einer FIT-Partnerschaft kompensiert werden kann.

 

 

 

 

 

#Handel

Simon Denoth ist Verantwortlicher für Öffentlichkeitsarbeit/Public Affairs bei der Schweizerischen Exportrisikoversicherung SERV. Er gehört dem Vorstand der SGA-ASPE an.

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