Kolumne

Der Beteiligungsvertrag

Angesichts von Putin und Trump ist eine Änderung der übervorsichtigen schweizerischen Aussenpolitik geboten. Allein im Einklang mit Europa kann sich die Schweiz als eigenständiges Land behaupten. 

Europafeinde und MSGA (Make Switzerland Great Again)-Nachäffer in der Schweiz schimpfen die Bilateralen III einen “Unterwerfungsvertrag”. Wie dies bei Trump die Regel ist, trifft auch hier genau das Gegenteil zu: Mit den Bilateralen III schlagen wir eine solide und zukunftstaugliche  Brücke zum europäischen Binnenmarkt. Davon profitiert die schweizerische Wirtschaft, aber auch jede Schweizerin und jeder Schweizer.

Wo die Schweiz vor der Türe blieb: Zwei Beispiele

Keuchhusten und Affenpocken  sind Seuchen, welche Europa, damit auch die Schweiz, in den letzten Jahren betroffen haben. Der Impfstoff dagegen wird exklusiv von einer kleineren Firma in Dänemark hergestellt. Diese war mit der Produktion für den EU-Markt voll ausgelastet. Darum und weil die Schweiz andere Zulassungsregeln für Pharmaprodukte hat als die EU wurden schweizerische Ersuchen für den Kauf dieses Impfstoffs abschlägig beantwortet.

Dies ist lediglich ein krasses Beispiel, warum der Markt Schweiz ganz einfach zu klein ist, um im Kalkül ausländischer Produzenten von Produkten, welche in der Schweiz nicht hergestellt werden, zu zählen. Anders nur, wenn wir uns am Binnenmarkt beteiligen, Bei Impfstoffen aber auch in vielen anderen Bereichen.

Trumps Erpesserzölle

Im Zollstreit mit den USA hat die Schweiz auf eine Sonderbehandlung durch Washington  gesetzt und ist enttäuscht worden. Die leise Hoffnung, nicht schlechter, oder vielleicht ein wenig besser abzuschneiden als die Europäische Union, hat sich ins Gegenteil verkehrt. Der amerikanische Erpresser-Zoll von 31 Prozent ist nochmals erhöht worden, auf 39 Prozent.  Ausschlaggebend für gute Verhandlungsergebnisse in Washington ist nicht ein angeblich spezielles Verhältnis der Schweiz mit den USA, sondern schiere Marktmacht. Denn allein dies, und nicht vorauseilender Gehorsam ist, was Trump respektiert. Genug Macht, um dem amerikanischen Frontalangriff gegen die bisherige westliche Ordnung zu begegnen, hat aber allein Europa als Ganzes. Die EU verhandelte mit Trump über Zölle ohne zu verhehlen, dass sie auch anders kann, beispielsweise mit Massnahmen gegen US Dienstleistungsexporte. Die europäischen NATO-Staaten machen es richtig, indem sie bereit sind, Putin mit eigenen Mitteln und  ohne aktive Teilnahme der USA die Stirn zu bieten.

Die Bilateralen III schaffen also die Grundlage für die Behauptung der Schweiz auf den Weltmärkten. Bilaterale Freihandelsabkommen (FTA), wie der eben unter helvetischen  Fanfarenstössen  vereinbarte FTA mit Mercosur sind gut, aber mit ihrem vergleichsweise geringen Umfang von betroffenen Güter keinerlei Ersatz für unsere Hauptexporte in die EU-Länder und in die USA.

WTO Ersatz CPTPP

Hinter dem Buchstabensalat CPTPP verbirgt sich eine grosse Möglichkeit von Welthandel mit klaren Regeln , aber ohne die Teilnahme der USA, welche unter Trump bekanntlich das Funktionieren der Welthandelsorganisation WTO blockiert.

CPTPP steht für Comprehensive Progressive Trans Pacific Partnership, ein multilateraler Freihandelsvertrag, der im Grossraum Indo-Pacific wichtige Wirtschaftsmächte umfasst. Die USA haben sich unter Trump davon zurückgezogen, China und Indien sind (noch?) nicht Mitglieder. Ursula von der Leyen, die Präsidentin der Europäischen Kommission,  hat kürzlich vorgeschlagen, dass die EU mit diesem Verbund Verhandlungen über einen Beitritt führen soll. Das würde der CPTPPP auf einen Schlag weltweite Bedeutung verleihen. Und damit einen wichtigen Schritt zum Erhalt global gültiger Handelsregeln darstellen.

Laut Quellen aus der Bundesverwaltung hat die Schweiz, üblicherweise im Rahmen der EFTA, also namentlich mit Norwegen zusammen, noch keine Anstalten getroffen zur Teilnahme an der CPTPP. Das wäre nun ein überfälliger Schritt für die Schweiz, welche als Exportnation  auf klare Regeln im Welthandel dringend angewiesen ist. Auch hier erscheint eine Koordination mit der EU dringlich, was die Bedeutung der Bilateralen III als Brücke zur EU und als Beteiligungsvertrag an  wichtigen Entwicklungen am Welthandel  unterstreicht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

#Schweiz-EU

Der Autor

Daniel Woker ist ehemaliger Schweizer Botschafter und Co-Gründer der Firma «Share-an-Ambassador/Geopolitik von Experten».

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